oder ein Gaudi im Dirndlwahn
Die Wiesn feiern ja in diesem Jahr den 181. Geburtstag und wenn ich eines von den Ur-Münchnern erfahren hab dann das der Trachtenfetisch nie größer war als heute. Aus einer Tradition die zeitweise eher als antiquiert galt ist heute ein Hype geworden der etliche Industriezweige stützt. Trachten sind DAS Thema auf den Wiesn und jeder noch so aus der Ferne angereiste Depp hält sich daran. Natürlich schliesse ich mich da nicht aus und bin am ersten Abend voll aufgedonnert in eine sogenannte Box ins Marstall Zelt eingeladen worden, tollerweise mit allem drum und dran. Wahrscheinlich war ick die einzige Person an diesem Abend in dem Zelt die sich an einem Maß Bier festgehalten hat und das auch nur weil man Gastfreundschaft nicht ausschlägt. Neben der bunten Vorspeisenplatte aus regionalen Leibspeisen gab es auch eine leckere vegetarische Alternative zur brutalen Schlachteplatte. Wer meine Kolumne regelmäßig verfolgt weiss, ick lebe nicht wirklich fleischlos.. bin aber gerade dabei mit Ayurveda mein Leben etwas zu „gesunden“. Die Schwammerl mit Pilzen waren auf jeden Fall gut und auch die Etagiere voller süßer Abenteuer war schmackhaft. Das Prozedere der Gemütlichkeit hat sich mir leider nicht ganz erschlossen aber zumindest konnte ich ein Eindruck gewinnen was es heißt uniform ins Glück zu taumeln.
Das berühmte Wiesn-Promi-VIP-Zelt Erlebnis war im großen und ganzen schön wenn auch weniger wegen der sogenannten Prominenten und mehr wegen der netten Begleitung. Die Magie der Wiesn an sich entzieht sich aber dennoch vollkommen meiner Kenntnis. Auch wenn ich es echt versucht habe.. sogar zweimal. Die am ersten Abend aus Zeitmangel verpassten Attraktionen hab ich doch glatt nochmal am nächsten Tag nachgeholt. Darunter waren sowohl so Klassiker wie das Schichtelcabaret als auch Fahrgeschäfte in schwindelnderregender Höhe. Im Grunde ist das Oktoberfest nix weiter als ein riesengroßer extrem überteuerter Rummel mit Fress- und Saufgeschäften in Hülle und Fülle. Touristenabzocke an jeder Ecke – ick meine eine Fahrt im Karrussel für 7 EUR finde ich 2 Minuten Fahrt unverschämt – wirklich unverschämt. Nun gut.. die Nachfrage reguliert den Markt und solange es Millionen gibt die das bezahlen – so lange steigt der Preis. Kaum zu ertragen war eine Vorstellung eines Schaustellers “Revue der Illusionen” der von aussen diesen Retro Jahrmarkts Freak Charme hatte. Es sollten Kuriositäten der Evolution gezeigt werden. Eine lebende Frau ohne Kopf und eine andere ohne Unterkörper… die Schwerkraft sollte aufgehoben werden und eine weitere kramte in den Gedanken der Gäste – theoretisch. So einen unambitionierten und schlecht gemachten Humbug hab ich noch nie gesehen. Präsentation, Motivation, Umsetzung, Detailliebe… alles war so unsagbar mies gemacht.. das selbst der Wiesn-Mittags-Sonderpreis von 2 EUR rausgeschmissenes Geld ist. Dagegen konnte ich beim berühmt berüchtigten Schichtl wenigstens schmunzeln – obwohl die Vorstellung auch deutlich hinter meinen Erwartungen zurück blieb.
Doch die Wiesn haben auch romantisches und viel historisches. Allein die vielen alten elektronischen Orgelbuden, die teilweise in liebevoller Handarbeit restauriert wurden, spielten nach all den Jahren zumindest das ein oder andere Mal mit Schwung erneut auf. Auch die alten Holzfahrgeschäfte, die schon zu „Kaiserszeiten“ die Menschen umherwirbelten waren sehr sehenswert. Warum ich allerdings für die „Oide Wiesn“ nochmal 3 EUR berappen musste konnte ich auch nicht ermitteln – mal abgesehen von ein paar wirklich alten Schiessbuden, gabs da auch nur Würstl vom modernen Holzkohlegrill. Mein Fazit.. vielleicht stimmt es doch, das Preussn und Bayern eine unterschiedliche Wahrnehmung haben und sich über andere Dinge erfreuen können. Vielleicht muss man auch kräftig Bier tanken um im Schleier der Verneblung dieses Spektakel zu geniessen… und vielleicht braucht es den Karnevalsgedanken, um sich einmal besonders gekleidet zu fühlen. Leider konnte ich mit keinem der genannten Merkmale dienen und somit werde ich wohl der Magie des originalen Oktoberfest nicht erliegen. Tut mir leid!