oder eine Zeitreise die sowohl grandios als auch erschreckend war
Ja ABBA geht eigentlich immer. Ich glaube diese Band begleitet mich mein ganzes Leben und war immer da, auch wenn ich in den letzten Jahren nicht wirklich als Riesen Fan war. Aber in Zeiten als man als Kleener Piepel noch Poster an der Wand hatte schmückte Anni-frid meine Wand. Der Grund warum ich mir unbedingt das ABBA Voyage Spektakel ansehen musste war aber tatsächlich ein anderer. Kürzlich noch sprach ich mit jemand aus meiner Branche und wir beide waren uns sehr sicher das Live Entertainment in Zeiten von künstlicher Intelligenz absolut zukunftssicher sei. Seit heute bin ich mir da nicht mehr so sicher. Aber fangen wir mal von vorne an.
Die in London aufgestellte Halle steht ein wenig abseits vom Zentrum und dennoch mit allen erdenklichen Transportmitteln gut zu erreichen. Da wir deutlich eher als erwartet aus dem Brunchlokal “geworfen” wurden, aufgrund des enormen Andrangs waren wir 90 Minuten zu früh da, haben uns aber in keinster Weise gelangweilt. Man durfte nämlich schon in den Vorraum, um kräftig vorzuglühen und natürlich Merch zu kaufen bis der Arzt kommt. Natürlich gab es einen ganzen Haufen Super Fans, die es sich haben nicht nehmen lassen, sämtliche Dekobestände Londons oder ihren alten Kleiderschrank aus den 70zigern zu plündern um standesgemäß dort aufzuschlagen. Fair enough! Tatsächlich hatte ich in Berlin für 3 Sekunden auch den Gedanken an ein Look verschwendet, um mir dann einzugestehen das der Aufwand und die verlorene Zeit beim Schminke in keinem Verhältnis steht. 45 Minuten vor Beginn der Show wurde eingelassen und da wir die Dancefloor Tickets hatten, ließ man sich auf dem Boden nieder und wartete auf den Startschuss. Pünktlich ging es los und gleich zu Beginn stockte mir der Atem. Nicht wegen der Musik sondern wegen der Perfektion der Inszenierung des gesamten Raumes. Licht und Ton waren raumfüllend und die vier Entertainer erschienen standesgemäß mittels Hebebühne, also natürlich virtuell, aber so täuschend echt und mit einer dreidimensionalen Tiefe, das ich mit einem Abstand von rund 10m nicht sagen konnte ob das nun echte Menschen oder Hologramme oder was auch immer sind. Jede Klamotte, ja jede Pailette an der Klamotte wurde zu 100% real dargestellt – ja selbst die Stoffe rutschten bei jeder Bewegung absolut perfekt hin und her. Erst als die Künstler auch noch in überlebensgroße Avatare auf dem Display mit dem digitalen Bühnenbild verschmolzen sah man hin und wieder noch die virtuelle Existenz beim Augenlidaufschlag oder beim fehlenden Zucken der Mundwinkel. Was aber nicht heißt, das es nicht unzählige Details zu bestaunen gab und man außerdem dauernd damit abgelenkt war auch den Rest der Halle auf sich wirken zu lassen. Abgesehen vom Gesang haben die Macher auch daran gedacht die digitalen Avatare ein paar persönliche Details zum ABBA Dasein zu verraten, was dem Ganzen nochmal mehr Authentizität gab. Doch als wäre es nicht genug durfte auch eine reale mehrköpfige Liveband die vier Charaktere untermalen. Zwischendurch wurde zum Sound von ABBA auch noch ein sehr schöner kleiner Animationskurzfilm gezeigt, der mir ein wenig den Schwindel ins Gehirn trieb, was wohl mit der unglaublich detailscharfen Animation und den drehenden schnellen Schnitten zu tun hatte. Die Mischung aus digitaler Kunst, realer Bühnenmechanik und Lichttechnik, die mit der Animation nahtlos verschmolz, war mehr als beeindruckend – ja ich möchte fast sagen das aufregendste das ich seit meinem ersten 3D Film Avatar gesehen habe.
Doch nun kommen wir zu Kehrseite der Medaille für jemanden der mit Live Entertainment sein Geld verdient. Bis dato war ich mir sicher und ich habe wirklich viel gesehen, das man ein Live Erlebnis nicht mit gleicher Qualität und Intensität digital erlebbar machen kann. Selbst ich habe schon meine Shows in VR aufnehmen lassen und war anfangs auch überrascht, wie gut das ist, aber tatsächlich fehlte die Interaktion und die Qualität des Surroundings – meint die Begegnung der Menschen. Das ABBA Voyage Projekt hat mir aber gezeigt das sich diese beiden Welten nun doch perfekt miteinander verschmelzen lassen und zu einem Live Erlebnis werden, das berauschend sein kann. Allein die Kamerafahrten von überlebensgroß bis hin zu klassischen Bühnenperformancegrösse haben mich unglaublich geflasht. Und tatsächlich war mir anfangs nichts klar wie diese Illusion so grandios auf die Bühne gebracht werden kann. Im übrigen waren auch die Kostümchanges von klassischen ABBA Looks aus den 70zigern bis zu futuristischen TRON Vibes perfekt und auch hier verschmolzen Realität mit der digitalen Welt denn jede virtuelle Lichtquelle schien sich in jeder einzelnen Textur der Looks wieder zu spiegeln. Nach rund 90 Minuten endete das Spektakel mit einem kurzen Auftritt der ABBA Ikonen Stand heute – natürlich auch digital und mit der Darstellung der Macher (zumindest denke ich das)
Nun noch ein paar Worte zum Publikum. An dieser Stelle muss ich sagen war es dann doch ein klein wenig zu spüren, das die virtuelle Interaktion doch noch nicht ausreicht, um die Massen davon zu überzeugen voll und ganz auf den Künstler einzugehen. Aber man stelle sich jetzt noch vor, wie es sein könnte wenn die Perfektion der Darstellung auf die KI der Welt von Morgen trifft. Leute – dann haben wir Entertainment 4.0 das uns entweder komplett erschrecken oder in einer Art und Weise unterhalten wird und uns sprachlos zurücklassen wird. Ich gebe ABBA Voyage aber jetzt schon locker ne 9,5 von 10 weil es mich überrascht und grandios unterhalten hat. Ach… aber das nächste Mal sitze ich auf jeden Fall !! In meinem Alter 95min auf dem Fleck zu stehen und mitwippen hat mir gezeigt das meine Knochen solche Dinge gar nicht mögen ??. Für mich ist ABBA VOYAGE ne klare Empfehlung und allein eine Reise nach London wert.