oder wer braucht schon fette 3D Multiplexe wenn man Emotionskino haben kann
Wie die Pest im vergangenen Jahrhundert haben die Multiplexe die kleinen Hinterhof-Kinos dahingerafft und nicht nur die. Kürzlich wurde ich Zeuge wie der alt-ehrwürdige Zoo-Palast am Kudamm ebenfalls in die Geschichte der Lichtspielhäuser eingegangen ist. Vor ihm jedoch sind mehr oder weniger alle meine Jugendkinos gestorben. Meistens heimlich… aber teilweise von mir auch durchaus wahrgenommen. Allerdings war ich zu jung um zu verstehen was für ein Kleinod da beerdigt wurde. Aber wie alles im Leben fällt einem das immer erst dann auf wenn es zu spät ist. Heute jedoch hab ich etwas gefunden was ich eigentlich todgeglaubt hatte. Ein verstecktes Kino… von mir all die Jahre unbemerkt und ehrlich gesagt wußte ich nichtmal wie lange dieses Kleinod an Lichtspielhaus schon existiert…. aber es ist superkultig: das Sputnik am Südstern.
Auf dem zweiten Hinterhof in den Gewerbehöfen am Südstern gelegen erwartet man irgendwie im fünften Obergeschoß nicht wirklich ein Kino. Vor allem auch kein Kino das mit viel Liebe gebaut und erhalten wurde und dem man ein bisschen die vielen Feiern ansieht – eben typisch Charming-Kreuzberg. Da kam mir der gezeigte Film gerade richtig. Rockabilly Ruhrpott war auf dem Filmröllchen der hoch oben im Berliner Kinohimmel ausgestrahlt wurde. Viel zu schlecht besucht war es aber genau der Flair, den dieser Film brauchte um authentisch zu wirken. Die Authenzität schlug einem quasi von allen Seiten direkt ins Gesicht. Vorweg muß ick als Berliner Pflanze allerdings in Frage stellen das die Rockabillyszene im Ruhrpott als letzte Mohikaner die Flagge oben gehalten haben, als es in den 90zigern mit der Szene bergab ging. Ich behaupte in ganz Deutschland haben sich die Anhänger des RocknRoll und Rockabilly um die Konzertveranstaltungen geschart und genauso Spaß gehabt wie ick in den Achtzigern.
Interessant fand ich auch den Versuch zu beschreiben warum man diese und nicht eine andere Musik hört. Der gemeinsame Nenner lautete bei allen Befragten mehr oder weniger: das Lebensgefühl, das Rebellische und — na klar….. die Musik. Die Antwort bekommt man von Punks, von Rappern .. eigentlich von jedem Menschen der ein extrem lebt – manchmal sogar von Ottonormalverbrauchern mit Tunnelblick ;-). Ich glaube das es meistens eher um den Spaß geht – Spaß durch Abgrenzung. Und dabei wären wir beim Thema. Was mir an dem Film unheimlich gut gefallen hat waren die Menschen vor der Kamera. Es waren einfach Typen, keine Inszenierungskünstler, sondern einfach Typen. Jeder auf seine Art. Friseure, Tätowierer, Musiker, Verkäufer und wahrscheinich waren auch Fleischer und Bäcker dabei… jedenfalls sahen ein paar so aus. Während das Privatfernsehen gar nicht genug bekommt von gescheiterten Auswanderern und gestörten Bauern die um Kühe buhlen, zeigt dieser Film das es in Deutschland oder in dem Fall im Ruhrpott, einfach Typen gibt, die Spaß haben an der Abgrenzung und das ganz offen auszuleben. Mnnh… woher kenne ich das ??? Jedenfalls tun sie das auch ohne wenn und aber… sicherlich wird der ein oder andere in dieser Neigung verhärtet sein und wenig offen für neue Einflüsse… aber hey… viele der interviewten waren froh über die Verjüngung durch Frischfleisch ;-). Außerdem nehmen Verhärtungen jeder Art im Alter bei jedem Menschen exponentiell zu !!! – ditt is janz normal ;-)
Der Film läßt die Vergangenheit Revue passieren, die Tage als die jungen Stray Cats Deutschlands Bühnen rockten aber er zeigt auch die Grenzen, die es immer noch gibt und die sich durch Frisuren oder Klamotten in den Köppen gehalten haben. Wahrscheinlich hätten Typen wie ich noch vor 20 Jahren in der Szene gleich mal eine auf’s Maul bekommen… so jedenfalls hat es sich früher verhalten, wenn andersartige nach Integration suchten – und bei denen war es nur eine andere Psychofrisur ;-). Der Film “Rockabilly Ruhrpott” wird für den einen eine Inspiration sein, während es für den anderen eine Bestätigung seines Ausstieges aus der Szene ist. Für mich ist der Film eine Zeitreise mit echten Menschen, die teilweise super sympatisch sind und teilweise schön schräg. In die Köpfe der Rockabellas schaut der Dokumentarfilm allerdings nur ganz sporadisch.. im Grunde geben die Herren der Schöpfung hier den Takt an. Finde ich persönlich sehr schade – wenn ich da so an Berliner Szene Ikonen wie Spooky Sally, Sammy von RedCat 7 und viele andere starke Frauen denke. Anyway… die Dokumentation ist es Wert gesehen zu werden und das SPUTNIK am Südstern ein Träumchen der Kinokultur – Ergo.. ein gelungenes Erlebnis !