oder nach Udo Jürgens steigt nun Conchita Wurst aufs Siegertreppchen
© EUROVISION / Andres Putting (EBU)
Der Applause ist kaum verhallt, da wird schon wieder übelst gepöbelt und die Toleranz Untergrenze neu definiert. Das Internet und die Presse sind voller böser Ausbrüche über eine Person, die eigentlich nichts weiter macht, als sich zu “verkleiden” während sie singt – denn Tom Neuwirth ist Travestiekünstler mit Alleinstellungsmerkmal. Was man bei der ganzen Diskussion über das Aussehen gerne mal vergisst.. er kann auch wirklich singen und darum geht es doch eigentlich in einem Singer/Songwritercontest oder? Der Eurovision Song Contest hatte schon immer eine Faible für Kostümierungen … angefangen von Dschinghis Khan, Bucks Fizz über Gildo Horn bis hin zu Lordi. Insofern ist die Präsentation eigentlich nicht soooo besonders, ausser das es offenbar unzählige Menschen gibt, für die so eine uneindeutige “Genderdarstellung” ein rotes Tuch ist und diese auch noch für krankhaft halten….
Gestern habe ich “gefühlt” seit 25 Jahren .. ach nee… es waren tatsächlich so viele, wiedermal ein Samstag vor der Glotze verbracht und mir dieses Gesangs-Spektakel bewusst angesehen. Abgesehen von dem Gesangsthema muss man mal sagen, das es rein technisch eine Megapsause war. Allein die Bühnen und Special Effects waren Weltniveau – ganz großes Kino! Einmal auf so einer Megastage zu performen muß ein besonderer Kick sein und dann waren da ja noch Pailetten und Glitzer aber auch fiese Modesünden. Es gab jede Menge Fehlgriffe sowohl gesanglich als auch in der Präsentation… doch zurück zu Conchita Wurst. Schon für den ESC in Baku 2012 hatte die Wurst versucht sich durchzusetzen, wurde aber von der verkniffenen Wolfgangsseebelegschaft am Einzug ins Finale gehindert. 2014 sollte nun die Stunde der bärtigen Frau kommen und die queere Welt sah gespannt auf dieses Ereignis. Was dann geschah hat wohl mittlerweile jeder aus der Presse vernommen und macht nun die ganzen Ösis ziemlich stolz… ein Mann im Glitzerfummel mit Vollbart gewinnt ziemlich deutlich den Eurovision Song Contest 2014. Bart und Hut ab dafür! BRAVO Du hast mich echt bewegt… vor allem aber gesanglich.
Doch bei aller Begeisterung, die in dieser homo-/transphoben Zeit absolut verständlich ist, darf man nicht vergessen, das es zwar ein großer mutiger Schritt für Conchita war aber nur ein kleiner für unsere Gesellschaft. Viel zu weit hat sich dieser Event vom Durchschnittsbürger entfernt – allein die Tatsache das 50% der Entscheidung bei einer kaum repräsentativen Jury liegt ist schon schräg. Dazu kommt das jede neu gewonnene verständnisvolle Seele wahrscheinlich auch einen neuen Zweifler hinter dem Kamin hervorlockt. In den letzten 10 Jahren habe ich oft genug Unverständnis in den Augen unterschiedlichster Gruppierungen gesehen. Ja… auch der Unglaube in der “heimischen” Community, das ein heteroorientierter Mensch, dieser Art des Ausdrucks nachgeht und dann auch noch mehr oder weniger öffentlich, ist mir heute nicht unbekannt. Selbst die Gewinnerin des Abends, die mir 2012 mal ein Online Interview zugesagt hat und aus “inhaltlichen” Gründen wieder absagte, scheint zu straucheln, wenn es um Fragen zur Person hinter dem Alter Ego geht. Marketingtechnisches Kalkül ?… ach scheiß drauf. Der Samen für Toleranz und Respekt ist schon oft genug gepflanzt worden aber leider gibt es zu wenige die den Sproß düngen… Conchita Wurst hat mit dem Sieg bei ESC wieder ordentliche Feldarbeit in Europa betrieben, doch “unsere” Arbeit für mehr Toleranz und Respekt für ALLE nicht normativen MENSCHEN ist noch lange nicht getan. Am 17.5. kann jeder und jede einzelne ebenfalls ein bisschen Düngen bei der Demo “Enough is Enough” der Demonstration für Menschenrechte am “Internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie”. Hier ist der Event: https://www.facebook.com/events/702159383163112