Dienstag, 16. April 2024

Ein Neukölln das mal mein Neukölln war…

oder inmitten alter Erinnerungen schwelgen kann so wunderbar grauenhaft sein

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Ein nächtlicher Streifzug durch die jute alte Karl-Marx-Strasse kann so manch Flashback im Koppe explodieren lassen. Ich hab mir überlegt ob ich diesen Beitrag mit den Worten “es war einmal” beginne aber das klang mir dann doch zu abgehoben. Ein Konzertbesuch am gestrigen Abend hat mir meine alte Wirkungsstätte neu in Erinnerung gerufen und so manch Plätzchen von früher aus den ollen grauen Zellen gepopelt. Das Zentrum von Neukölln war und ist die jute alte Karl-Marx-Strasse, nicht zu verwechseln mit der Karl-Marx-Allee,  mit ihren vielen Geschäften und kulturellen Möglichkeiten, knapp gefolgt von der parallel laufenden Sonnenallee.

Beide gehörten vor gut einem Viertel Jahrhundert zu dem Wirkungskreis meiner pubertierenden Handlungen und trugen damit zu einem Teil meiner Entwicklung bei. Meine erste echte Witboy Jeans konnte ich z.B. unweit des Kaufortes im damaligen Rock’n’Roll Schuppen Rock-it am Karl-Marx-Platz zur Schau tragen. Am gleichen Platz traf man sich jahrelang auch zum Rixdorfer Weihnachtsmarkt, nicht um besinnlich zu flöten, sondern eher betrunken zu schunkeln, denn damals nahm man das nicht so genau mit der Ausschankkontrolle ;-).

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Ein weitere Ort der meine Jugend maßgeblich mitprägte lag ebenfalls einen Steinwurf von der Weihnachtspunsch und Glühwein Verkostungsstelle entfernt, die Magdalenen Kirchengemeinde. Man wird es kaum glauben, aber der Glaube an den Sinn der Institution Kirche wurde mir dort, zumindest temporär, veranschaulicht. Tolle, für meine Mutter bezahlbare, Reisen, mit gleichaltrigen pubertären Explosivgeschossen lassen mich beim tippen dieser Zeilen schmunzeln und gaben mir viel fürs Leben mit. Gleichermaßen erzeugten diese Erinnerungen am gestrigen Abend ein wenig Wehmut an die Unbeschwertheit der damaligen Zeit.

Wo gestern der Geruch von frischen Döner in dichten Nebelschwaden an mir vorbeizogen, gab es damals Buden  mit der echten Berliner Curky und Pommes Bahnschranke. Revolutionär kam dann das erste Würger King daher und knallte einem unterschiedlich gefärbtes Pappmaschee vor die Nase, das wir komischerweise liebten… Brrrr … aber so war das – wir waren jung und brauchten den Rindersatz ;-). Naja und für die Feinschmeckertage lag unweit das Fachgeschäft  Kropp gleich vor der Tür des großen Rathauses, das heute von einem medienhungrigen polarisierenden Schriftsteller … ähhh Politiker missbraucht wird ;-) . Das kommerzielle Leben spielte sich eben schon immer da ab – mitten um Hertie. Ein für damalige Verhältnisse riesiges Kaufhaus und gleich gegenüber von C&A – wozu brauchte man da noch den Ku’damm. Wenn man weiter in Richtung Hasenheide marschierte kreuzte man unweigerlich den Herrmannplatz wo der musikbeschallende Sektor der “place to be” war um gesehen zu werden. Ein, für mich, noch heute einmaliges Discotheken Design donnerte die Songs der New Romantics durch die Lautsprecher. Das Neonlicht wurde dabei zur Messlatte, wer irgendwo anders als im Mund weiß leuchtete war ein Plastic Grufti und wurde verbannt ;-). Ich könnte ganze Kapitel mit diesen Kamellen füllen und möchte an der Stelle Neukölln als echte Heldin Berlins bezeichnen.

Mein halbes Leben hat mich dieser Bezirk beschäftigt, versorgt, bemuttert, geärgert und auch ein bissl gequält. Unzählige Male sind mir Busse vor der Nase weggefahren, endlose Stunden haben mich Videospielgeräte gefesselt und mein Geld gefressen, mehr als einmal habe ich Lichtspielhäuser sterben sehen, nur um danach noch einen Supermarkt auf dem Weg zur Schule zu haben. All das ist heute Geschichte. Die Infrastruktur des Bezirkes hat sich stark verändert, hier und da findet man noch letzte Mohikaner aus der damaligen Zeit aber viel ist nicht mehr übrig. Kramläden bieten einem die ganz bunte Vielfalt, Schmuckshops, Goldhändler, Shops für Damenuhren und Bäckereiprodukte scheinen die neue Goldader des Bezirks zu sein. Das alles wurde mir gestern klar als ich nur mal eben etwas Geld holen musste um im Saalbau Neukölln beim Konzert von Imany nicht auf dem trockenen zu stehen. Manchmal kann einem das halbe Leben in Minuten an den ungeschminkten Augen vorbeiziehen… und das alles nur weil man Montag abend nicht vor der Glotze hockt: Danke ihr wunder wunder wunderbaren Hummeln im Hintern ;-)

Axxo und klar schreib ich morgen noch was zu IMANY die absolut wunderbar war… :-)

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