Donnerstag, 28. März 2024

Wie viel Queer steckt eigentlich in der Mode? – Queer History of Fashion.

…oder wie Oscar Wilde den Mainstream prägte.

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Jenny Shimizu, Helmut Red campaign. Photograph © by Mark Seliger.

Was wären die Mainstreammode eigentlich ohne queere Designer? Dieser Frage geht derzeit die Ausstellung A Queer History of Fashion: From the Closet to the Catwalk am New Yorker Fashion Institute of Technology nach. Thematisch nicht nur für Modeeulen interessant, sondern auch für Fashionhühner wie mich. Blöd nur, dass New York so verdammt weit weg ist. Zumindest war ich am Donnerstag Teil einer Liveschalte nach Manhattan, aber dazu im nächsten Beitrag mehr. Mal eben schnell an einem Donnerstagabend ein bisschen auf Kultur machen und in die Ausstellung gehen ist also nicht drin. Begleitend zur Ausstellung gibt es zum Glück ein gerade veröffentlichtes Buch, welches man sich auch auf der heimischen Couch im kalten Berlin zu Gemüte führen kann. Ein kurzes Filmchen, das einen Einblick in die Ausstellung ermöglicht und die Kuratoren Fred Dennis and Valerie Steele  interviewt, gibt es gleich noch dazu.

Culture Beat: A Queer History of Fashion at FIT from Keren Aronoff on Vimeo.

Beim Schlagwort Queer Fashion denkt man natürlich oft als erstes an Designer wie Gianni Versace, Jean Paul Gaultier, Alexander McQueen und auch Marc Jacobs. Die Liste zeitgenössischer, gleichgeschlechtlich liebender Designer ließe sich noch um einiges weiterführen, aber ihr versteht, worauf ich hinaus will. Dabei liegen die Anfänge der queeren Mode weiter zurück, als man vermuten mag und sind viel tiefer im Mainstream verankert, als mancher glaubt. Mode und Stil haben für schwule, lesbische, bi- und transsexuelle und queere Menschen schon immer eine große Rolle gespielt, weil man sich auffällig unauffällig vorrangig über Mode identifizierte und so nur für gleichorientierte erkennbar war.

Während die LGBTQ-Community an vielen Fronten noch um ihre Anerkennung zu kämpfen hat, scheint sie in der Modeszene angekommen und etabliert zu sein. Queer ist in der Mode seit dem 20. Jahrhundert fast schon Mainstream. Elemente aus der queeren Subkultur wie Lack- und Leder Outfits oder der androgyne Look der Models auf den Modenschauen ist längst kein Aufreger mehr. Selbst bei Miley Cyrus regt sich eigentlich keiner über ihre Outfits auf, sondern mehr über den riesigen Schaumstofffinger, mit dem sie auf der Bühne kopulierte. Und so finden sich auch in der Mainstreammode immer wieder Glitzergeschichten, die auch mein Herz höher schlagen lassen, wie zum Beispiel dieses LBD von Esprit. Wer hätte gedacht, dass dieses doch eher spießig wirkende Label hier und da den einen oder anderen Leckerbissen in Sachen Mode zu bieten hat?

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© Esprit

Buch und Ausstellung sehen den Beginn der queeren Mode deshalb auch ungefähr vor 300 Jahren, zu Lebzeiten Oscar Wildes, als es so etwas wie die LGBTQ-Community noch lange nicht gab und sexuelle Orientierungen abseits der Norm unter Strafe standen. Schon damals hinterließen queere Menschen ihren Stempel in der Mode, nur nicht so öffentlich und laut, wie heutzutage. Eine Ausnahme stellt dabei Oscar Wilde dar, berühmt für seine Dandy-Ästhetik und Extravaganz, seinen Humor und Witz, sowie für seinen Sinn für alles Schöne – inklusive junger Männer. Diese Eigenschaften werden heute noch gerne schwulen Männern zugeschrieben, weshalb sich das Klischee hartnäckig hält, dass queere Designer ein besonderes Gespür für Mode hätten. Und tatsächlich sind die bedeutendsten Designer unserer Zeit homosexuell. Was auch daran liegt, dass Mode fest verbunden ist mit der eigenen Identität – und deren Herzstück ist die Sexualität.

Teil der Ausstellung bzw. des Buches ist außerdem der Einfluss queerer Kultur und Geschichte auf die Fashion Industry. Geschlechtertabus werden genauso thematisiert wie AIDS (die Modebranche verlor eine ganze Reihe kreativer Akteure an die Krankheit), Gay Marriage und Gay Pride. Noch heute üben die Non-Konformität und Ästhetik der LGBTQ-Community des 20. Jahrhunderts eine ungeheure Faszination auf weite Teile der Gesellschaft. Warum sonst sollten so viele Junggesellinnenabschiede an Freitag- und Samstagabenden in tuffigen Berliner Lokalitäten wie Roses Bar oder Nina Queers Bar zum Schmutzigen Hobby. Gerade am Samstag schenkten zwei Damengruppen meiner Person ein hohes Maß auf Aufmerksamkeit auf der kleinen Burlesquebühne in Köpenick… i am Fashionaddicted…

Fazit: Mode ist ohne queere Designer kaum vorstellbar und das, was heute Konsens ist, wäre ohne sie nicht möglich. Wer zufällig bis 4. Januar noch nach New York fliegt: Ausstellung anschauen. Wen es sonst noch interessiert, der Weg dann aber doch zu weit ist: Buch bestellen. Bei den üblichen Verdächtigen gibt es das knapp 250 Seiten umfassende und bunt bebilderte Stück für den vergleichsweise schmalen Taler von etwa 32 Euro für das heimische Bücherregal. ISBN: 9780300196702

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